Sexualpädagogisches Konzept des Verbund-Familienzentrum St. Josef

Sexualpädagogisches Konzept des Verbund-Familienzentrum St. Josef

 

Kinder interessieren sich für ihren Körper von Anfang an. Sie fühlen, entdecken und stellen Fragen, die nicht immer leicht zu beantworten sind.

Frühzeitig lernen Kinder ihren Körper kennen und verstehen. Sie entwickeln sowohl Verständnis für die Besonderheiten ihres Körpers, sowie die Signale für Körperpflege und Körperhygiene. Je mehr Wissen Kinder über ihren Körper haben, desto besser lernen sie mit ihm umzugehen und desto größer ist die Motivation gut auf sich und den eigenen Körper zu achten.

Eine ganzheitliche Sexualerziehung fördert das kindliche Selbstvertrauen und trägt dazu bei, dass Kinder:

▪ ein positives Körpergefühl entwickeln,

▪ eine bejahende Geschlechtsidentität aufbauen,

▪ die Lernerfahrung machen, auf ihren Körper, ihre Bedürfnisse und ihre Gefühle zu vertrauen,

▪ positive Erfahrungen in Beziehung zu Menschen sammeln und

▪ die Fähigkeit ausbilden, Bindungen einzugehen.

 

Kinder unterscheiden nicht zwischen Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und genitaler Sexualität. Mit Fortpflanzung hat die kindliche Sexualität nichts zu tun. Hierbei geht es um ein ganzheitliches allgemein sinnlich angenehmes Erleben.

Die kindliche Selbstbefriedigung ist Bestandteil einer gesunden Entwicklung. Sie leben diese aber nicht nur auf sich bezogen aus, sondern beziehen im Spiel andere Kinder ein, ohne eine bewusste und zielgerichtete Beziehungsabsicht, wie zum Beispiel in Doktorspielen.

Für diese Doktorspiele gibt es Regeln in unserer Einrichtung, die bei Bedarf mit den Kindern thematisiert werden:

˃ Jedes Kind bestimmt selbst, mit wem es „Doktor“ spielen will

˃ Mädchen und Jungen entscheiden selbst, wo die Grenze für sie ist

˃Es wird nichts in Körperöffnungen gesteckt (Scheide, Po, Penis, Mund, Ohr oder in die Nase)

˃ Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben bei „Doktorspielen“ nichts zu suchen.

 

Unsere Aufgabe ist es den sexuellen Bildungsprozess der Kinder zu unterstützen und zu begleiteten, wie es für alle anderen Bildungsbereiche selbstverständlich ist.

Für uns ist Sexualerziehung eine Erziehungshaltung. Ungeniert und angstfrei dürfen Kinder Sexualität, biologische Körperabläufe und Zuneigungsgefühle thematisieren und auch leben. Wir geben die Gelegenheit zur sexuellen Selbstbildung, ohne ein Übermaß an Kontrolle und Verboten.

Unsere Einrichtung bietet den Kindern Rückzugsräume in Form von Kuschelecken, Zelten, einem geborgenem Umfeld und Nischen.

Aufbauend auf unsere sexualfreundliche Haltung stellen wir Materialien zur Verfügung, altersentsprechende Aufklärungsbücher, Sinnesspiele und spielen Wahrnehmungsspiele. Ziel der Materialen, Medien, Spiel- und Projekten in unserer Einrichtung ist es, Kinder entsprechend ihrer Anlagen, Begabungen und Bedürfnissen individuell zu fördern und zu fordern, ihre Fragen und Erfahrungen aufzugreifen und ihnen altersentsprechend Lern- und Erfahrungsräume anzubieten. Um das Neugierverhalten und die Wissbegierde der Kinder zu stillen stehen wir altersentsprechend Rede und Antwort bei spezifischen Fragen, denn jedes Kind das reif für eine Frage ist, ist auch reif für eine Antwort.

 

Alles, was Kindern das Gefühl von Vertrauen, Geborgenheit und Verlässlichkeit gibt, ist wichtig.

 

Sexualerziehung umfasst Themen wie kindliches Erkundungsverhalten, den Aufbau vertrauensvoller und verlässlicher Bindungen, die Weitergabe von Werten und sozialen Normen sowie die Akzeptanz von Schamgrenzen und Intimität. Die Themen in unserer Einrichtung entsprechen dem Entwicklungsstand und den Fragen der Kinder – sie behandeln keine Form der Erwachsenensexualität.

 

Wenn wir versuchen, festzulegen, was Kriterien für kindliche und für Erwachsenensexualität sind, können wir zu folgenden Unterscheidungen kommen:

 

Kindliche Sexualität

Erwachsenensexualität

▪ Spontan

▪ Neugierig spielerisch

▪ Geborgenheit/Kuscheln

▪ Körpererleben mit allen Sinnen

▪ Selbstbezogenes Spielen an Genitalien

▪ Erkundungs- und Rollenspiele (Doktorspiele)

▪ Handlungen nicht bewusst als sexuell wahrgenommen

▪ Unbefangenheit

▪ Eher geplant

▪ Eher genital fokussiert

▪ Auf Erregung und Befriedigung ausgerichtet

▪ Erotik

▪ Beziehungsorientiert

▪ Befangenheit

▪ Auch Blick auf problematische Seiten

 

Zur Sexualerziehung gehört nicht nur die Aufklärung sondern auch die Prävention. Wir sensibilisieren die Kinder die eigenen Gefühle und die Gefühle anderer Menschen zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren (Empathie und Rücksichtnahme). Uns ist es wichtig die Kinder zu ermuntern ihren eigenen Wahrnehmungen zu trauen und das NEIN zu ungewollten Körperkontakten zu unterstützen. Mädchen und Jungen jeden Alters dürfen über ihren Körper selbst bestimmen und erleben, dass andere nicht einfach ungefragt anfassen dürfen – auch nicht, wenn es „nur nett gemeint“ ist. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung verlangt von Erziehern, dass Kinder zu Fortschritten in der Selbstbestimmung ermutigt und selbst respektvoll und gewaltfrei mit dem Körper der Kinder in unserer Einrichtung umgehen. Kinder werden durch gezielte Projekte, Spielsituationen und Gespräche gestärkt, unerwünschte Küsse, Zärtlichkeiten oder andere Berührungen abzuwehren.

Um in diesem wichtigen Thema geschult zu sein, besuchen alle Erzieher unserer Einrichtung regelmäßig eine Präventionsschulung zum Thema „kindliche Sexualität sowie sexueller Missbrauch“. Hierfür ermöglicht die Jugendhilfe Werne ihren Mitarbeitern interne Fortbildungsinhalte, Arbeitskreise oder externe Weiterbildungen.  Denn Kinder brauchen erwachsene Bezugspersonen, die mit ihnen über Sexualität sprechen und ihr Interesse an sexuellen Fragen aufgreifen. Denn kindliche Unwissenheit kann leicht ausgenutzt werden. Zudem fällt es Kindern leichter, über sexuelle Übergriffe zu sprechen, wenn sie die Begriffe für Geschlechtsteile und sexuelle Vorgänge kennen. Prävention bedeutet deshalb, die Wahrnehmungsfähigkeit von Mädchen und Jungen zu fördern. Durch einen achtsamen und wertschätzenden Umgang untereinander soll diese Fähigkeit erhalten und gestärkt werden. Kinder sollen ermutigt werden, ihren Gefühlen nachzuspüren, sie auszudrücken und sich auf sie zu verlassen. Mädchen und Jungen brauchen Ermutigung, wenn es darum geht, auch solche Gefühle zu zeigen, die angeblich nicht zu ihrem Geschlecht passen. Mädchen die wild und selbstbewusst, Jungen, die auch mal ängstlich und hilflos sein dürfen, erfahren Anerkennung in unserer Einrichtung. Unsere Erzieher sprechen offen über ihre eigenen Gefühle, drücken diese aus und sind somit eine Vorbildfunktion für die Kinder. Wir achten darauf, dass innerhalb unserer Einrichtung unterschiedliche Wahrnehmungen und Gefühle zu den gleichen Situationen existieren dürfen. Kinder brauchen für ihre sexuelle Entwicklung aber eine pädagogische Förderung, die von der positiven Bedeutung der Sexualität für die Persönlichkeitsentwicklung inspiriert ist. Konkret heißt das: Den Körpererfahrungen einen breiten Raum im Alltag zu geben, sexuelle Aktivitäten nicht zu tabuisieren, zu verbieten oder gar zu bestrafen, aber darauf zu achten, dass sich die kindliche Sexualität ohne Gewalt und Grenzverletzungen durch andere Kinder oder Erwachsene entwickeln kann. Es ist wichtig, Kinder darin zu bestärken, sich nichts einreden zu lassen und sich auch nicht zu Dingen zwingen zu lassen, die ihnen widerstreben.

Äußerungen der Kinder in unserer Einrichtung:

 

Sophie (2 Jahre):

„Meine Mama hat eine Erkältung und mein Papa hat einen Penis.“

 

 

Timo (5 Jahre):

„Warum bekommen eigentlich die Männer nicht die Kinder?“

Lars (5 Jahre):

„Weil die sonst aussehen wie Spaghetti!“

 

 

Justus (3 Jahre):

„Als ich ein Baby war. War ich im Krankenhaus. Da bin ich geschlüpft!“